Freitag, 6. September 2013

Review: Midori - Das Kamelienmädchen

Midori - Das Kamelienmädchen


Japan, das Land der Monster und auch der Animes/Mangas, ist ja dafür bekannt, dass es immer wieder auch einige merkwürdige Köpfe hervorbringt. Ähnlich verhält es sich da auch bei Suehiro Maruo, welcher das Buch, bzw. den Manga zu Midori – Das Kamelienmädchen schrieb. Abseitig, krank, ja fast sogar pervers spiegelt dieses Werk das Leben von Midori wieder. Da verwundert es auch nicht, dass der gleichnamige Film in Japan verboten wurde. Dafür verantwortlich zeichnete sich, im wahrsten Sinne des Wortes, Hiroshi Harada, der dieses Werk ganz alleine umsetzte. Lediglich die Musik und die Stimmen wurden von einigen Helfern beigesteuert. In 5 jähriger Arbeit zeichnete er jede Szene selber und konnte somit seine ganz eigene Vision von Midori umsetzen. Aber hat sich die harte Arbeit gelohnt?


Midori ist ein einsames Mädchen, ihr Vater ist verschwunden, ihrer Mutter ist schwer krank. So bleibt ihr nichts anderes übrig als Kamelien, eine ganz besondere Art von Blumen, in den Straßen zu verkaufen. Eines Abends kauft ihr ein Fremder alle Blumen ab, wodurch Midori genug Geld für die anstehende Klassenreise hat. Mit der freudigen Nachricht im Gepäck kommt sich nach Hause, nur um dort ihre Mutter, zerfressen von Ratten aufzufinden. Allein bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich ein neues zu Hause zu suchen. Da fällt ihr der nette Mann ein, welcher ihr alle Blumen abgekauft hat. Als sie zu ihm kommt, muss sie feststellen, dass dieser Chef einer Freakshow ist und prompt wird auch Midori Teil dieser Show. Dort führt sie ihr Leben, als unbeachtete und oft misshandelte Person, bis eines Tages der kleine Zwerg in ihr Leben tritt und von nun an, wendet sich das Blatt für Midori. Sie wird auf Händen getragen und die anderen müssen Leiden, doch was führt der Zwerg im Schilde? 


Die Geschichte von Midori ist wunderschön erzählt und trotz der grausamen, fast schon perversen Bilder, schafft es der Film immer wieder auch die Lust am Leben zu wecken. Dies wird zudem vom Stil des Filmes unterstützt, denn das ganze läuft bei weitem nicht flüssig. Besonders zu Beginn stagnieren die Bilder in ihrer Bewegung. Nichts bewegt sich und man fühlt sich, als würde man ein Gemälde betrachten. Dies wirkt zunächst auf den Zuschauer befremdlich, andersartig und auch verstörend. Man weiß nicht so recht, was man da gerade erlebt. Man ist gefangen mit den Bildern, ohne Hilfe muss man sich selbst einen Reim aus den unterschiedlichen Impressionen machen und wird dabei immer wieder fallen gelassen. Zudem schafft es die filmische Umsetzung, einen mit Hilfe von wunderschönen Bildern die Ausweglosigkeit der Charaktere zu vermitteln. Wenn Midori beispielsweise dem vorbeifahrenden Zug nach winkt, weiß man das sie sich nichts mehr wünscht, als aus dieser Gesellschaft zu entkommen und ein normales Leben zu leben.


Die Charaktere sind sehr interessant gezeichnet, auch wenn Midori eindeutig im Mittelpunkt steht. Sie wirkt wie eine Figur, mit der sich der Zuschauer selber identifizieren will. Einsam, hilflos und verlassen, wird man Zeuge wie Midori sich durch ihr neues Leben kämpfen muss. Zunächst ist sie gefangen in ihrer neuen Umgebung, ohne Halt und ohne jemanden an den sie sich wenden kann, wird sie von den Freaks misshandelt und geschändet. Sie wird sogar nackt zusammen gebunden, sodass man sich unweigerlich an einen Bondagefilm erinnert fühlt. Man muss bedenken, dass es sich bei Midori immer noch um einen Anime handelt. Natürlich gibt es auch hier deutlich explizitere Werke, doch was Midori vom Stappel lässt ist wirklich sehr abseitig. Zudem wird sie Zeuge von Eyeball-Licking Szenen, in welcher der Chef der Freaks dem Mädchen mit einem Penis, das Auge leckt. Man kämpft immer wieder mit der Lethargie in welcher auch Midori gefangen ist. Man kann nicht anders als hinschauen, fühlt sich gleichzeitig aber machtlos und kraftlos und will eigentlich nur auf dem schrecklichen Treiben ausbrechen. Tiersnuff, wenn auch nur in gezeichneter Form, muss man auch über sich ergehen lassen. Das Werk strotzt nur so vor kranken Ideen. 


Der Zwerg, welcher neben Midori die zweite Hauptrolle verkörpert, wirkt zunächst wie ein Retter für Midori, welcher sie aus der Lethargie reißen will und sie vor allem und jedem beschützen möchte. Doch dabei zeigt sich schnell, dass er sie nicht nur beschützen will, sondern sie auch besitzen möchte. Keiner darf ihr zu nahe kommen und wenn dies doch passiert, muss derjenige teuer bezahlen. Zudem versteckt sich hinter dem Zwerg, der Charakter eines Cholerikers, welcher keinerlei Zweifel an sich oder seinen magischen Fähigkeiten zulässt. Dies gipfelt in einer der abartigsten Szenen des ganzen Films, wenn zu harten, schnellen Klängen die Körper der Zuschauer mit Hilfe der Magie in sich krümmende und zerplatzende Gestalten werden. Der Zuschauer wird förmlich überschüttet mit Blut, Kot und Erbrochenem, sodass er sich selbst vor Ekel krümmt. Die Freaks sind zunächst die größte Bedrohung für Midori. Sie misshandeln sie, vergewaltigen sie, wodurch der Film sich auch mit der heiklen Thematik der Pädophilie und der Vergewaltigung an Minderjährigen beschäftigt. Allerdings wandelt sich das Bild, als der Zwerg eben jene Rolle, des Herrschers und Unterdrückers einnimmt. Dadurch stellt der Zuschauer sich unweigerlich die Fragen, ob die Freaks vielleicht die wahren Menschen sind? Die Midori akzeptieren, so wie sie ist? Der Film bietet so viel Spielraum für Interpretationen, dass man auch nach mehrmaligem Sehen immer wieder was entdecken kann.


Auf Grund der zeichnerischen Freiheit, stand es Harada natürlich offen, sich und seine Ideen so zu verwirklichen, wie es für ihn richtig war. Und das merkt man auch an der Umsetzung. Die zunächst lethargisch wirkenden Bilder, weichen mit der Zeit einem schnellen Schnittstakato, welches den Zuschauer innerhalb weniger Sekunden mit unglaublich vielen, meist perversen und ekelhaften Bildern bombardiert. Sodass man sich einer wahren Tour De Force ausgesetzt sieht. Die Schnitte gipfeln am Ende in einen wahren Erguss von abseitigen Deformationen, welche weder vor den Freaks noch vor Midori selbst halt machen. Wenn man nach diesem überwältigen Orgasmus an Perversion kraftlos in den Bildschirm starrt, wird man als Dank dafür mit einem weißen Bildschirm belohnt. Die Reinheit und der wahre Sinn des Lebens wurde erreicht. Man ist frei, genau wie Midori die durch ihren Ausbruch der Gefühle endlich dort hingelangt, wo sie immer hin wollte.



Auch die Musik ist ein wichtiges Stilmittel, wodurch die einzelnen Szenen von Midori erst die Kraft über den Zuschauer erlangen können. Neben meist märchenhaften Klängen, die einem immer wieder versuchen Sicherheit in einer Welt zu geben, in der es keine Sicherheit gibt, bekommt man immer wieder verzerrte und unwohlsein erweckende Sounds präsentiert, die das wahre, das ungeschönte Böse zeigen. Und wenn dies dann, gepaart mit dem wilden Schnittfeuerwerk der zerplatzenden und sich krampfartig bäumenden Menschen, auf den Zuschauer losgelassen wird, dann ist man schon vom Zusehen erschöpft und entkräftet. Es ist ein wahres Wechselbad der Emotionen, in welchem man sich zu keinem Zeitpunkt wirklich sicher fühlen darf. 


Harada selbst wehrte sich zudem immer dagegen, seinen Film als Heimmedium zu veröffentlichen und begründete dies damit, dass man Midori nur live erleben kann. Dabei wurde der Film in einem großen Saal oder Kino gezeigt, doch die Zuschauer mussten davor durch eine Art Labyrinth und wurden dadurch auf die kommenden Absurditäten und Perversionen eingestimmt. Sie kamen an entstellten und verformten Menschen vorbei und wurden dann von echten Darstellern in Empfang genommen, welche die Szenen aus dem Film zeitgleich nachstellten und so für noch mehr Surrealität sorgen konnten. Die Musik wurde live gespielt und konnte so noch einen deutlich größeren Bann auf den Zuschauer auswirken. Dieser Zauber bleibt einem bei der Sichtung des Heimmediums leider verborgen. 


Die französische DVD von Cine Malta ist weltweit die einzigste Möglichkeit Midori zu Hause zu bestaunen. Wie bereits erwähnt lehnte es Harada immer ab, diesen Film als VHS/DVD zu veröffentlichen. Natürlich stellt sich hier unweigerlich die Frage, wie es Cine Malta geschafft hat, diesen Film zu lizensieren, aber was dabei herausgekommen ist, kann sich wirklich sehen lassen. Die Bildqualität ist sehr gut geworden und man hat zu keiner Zeit das Gefühl eine VHS zu sehen. Die DVD bietet nur die Japanische Sprachfassung, dafür aber mit 5 auswählbaren Untertiteln. Neben französisch, auch englisch und deutsch. Die deutschen Untertitel sind recht gut geworden, allerdings gibt es bei dem Zeichen „ß“ immer einen Fehler. Wenn man das allerdings weiß, dann weiß man auch welches Wort gemeint ist. An Bonusmaterial bekommt man eine Slideshow, welche innerhalb von 7 Minuten die Hintergründe der Live Version von Midori erklärt und einen einen Einblick darin gewährt, wie es sich angefühlt hat, Midori mit echten Schauspielern zu sehen. Zudem gibt es noch ein 16 minütiges Interview mit dem Regisseur zu sehen, welches englisch untertitelt ist. Dieses Interview gefährt einen Einblick in die Entstehung des Films und die Probleme welche sich dem Regisseur dabei entgegen stellten. Zudem gibt es noch ein 12 seitiges Booklet, welches je 6 Seiten in französisch und 6 in englischer Sprache beinhaltet. Hier werden einige Intergründe zu Midori beleuchtet. Alles in allem ist die französische DVD von Cine Malta wohl ein wahres Rundumsorglos Paket und da es auch keine Alternative gibt, kann man hier bedenkenlos zuschlagen.

Fazit: Midori – das Kamelienmädchen ist ein abseitiger Bastard eines Animes. Roh, dreckig und blutig wird hier die Geschichte eines einsamen, verzweifelten Mädchens erzählt, welches so bisher noch nicht zu sehen war. Für Fans der ganz besonderen Kost absolutes Pflichtprogramm. Wer offen ist und dem Japanischen Anime nicht abgeneigt ist, sollte einen Blick riskieren. 







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